Sumpffieber

Vicente Blasco Ibáñez

Als erster Band der Reihe „Vergessene Moderne“ erscheint im September 2023 der Roman „Sumpffieber“, „Cañas y Barro“ (Schilf und Schlamm) von Vicente Blasco Ibáñez . Wir haben uns gegen eine Neuübersetzung entschieden, sondern verwenden die Übersetzung von Otto Albrecht van Bebber, deren Sprache den Text von Blasco Ibanez auch heute noch adäquat transportiert. Zeichensetzung, Orthografie und einzelne sprachliche Elemente wurden an heutige Gepflogenheiten angeglichen.

„Sumpffieber“ ist der letzte seiner Romane, die in der „Huerta“ spielen, einem landwirtschaftlichen Gebiet in der Nähe Valencias, das die maurischen Kolonisatoren geschaffen hatten, um Kulturen wie Reis, Gemüse und Orangen mit Hilfe eines sorgfältig geplanten Bewässerungssystems anzubauen. Er verquickt hier eine  Liebesgeschichte mit der dramatischen und sich selbst vernichtenden Macht des Geldes.

Ibáñez selbst hielt diesen Roman für seinen künstlerisch gelungensten.

Wenn der 1902 entstandene Roman auch an den äußersten Ausläufern des Naturalismus steht, schreibt Florian L. Arnold in seinem Vorwort, so ist er von diesem doch durchdrungen. Neue Themen bestimmten die Literatur fortan, etwa die impressionistische Ästhetik, doch die Präzision der Darstellung wie auch der Verwendung einer die soziale Schichten kennzeichnenden Sprache blieb auch im 20. Jahrhundert wirksam. Wie aktuell Ibanez ist, mag sich etwa daran zeigen, daß er alles erfüllte, was der junge Alfred Döblin 1913  in seinem „Berliner Programm“ von Autoren und Literaturkritikern einforderte: einen erneuerten Naturalismus, der „im Kinostil“ in „höchster Gedrängtheit und Präzision“ die „entseelte Realität“ beschreiben soll. Wenn sich der Autor von „Sumpffieber“ auch der verfremdenden Spielarten des schon am Horizont stehenden Expressionismus enthält, so reichert er seine Wirklichkeitsabbildung doch mit allem an, was damals förmlich in der Luft lag: Das psychologische Moment sehen wir darin ebenso wie die Nachwirkungen  der sozialen „Experimentalromane“ Zolas, wir bemerken eine Hinneigung zu den Dramen Henrik Ibsens und August Strindbergs und in der dunkel ausklingenden Coda eine Sympathie für das Werk von Fjodor Michailowitsch Dostojewski, den Ibanez sicherlich kannte.

Die Edition „Vergessene Moderne“ wird künstlerisch von dem Ulmer Zeichner, Grafiker und Schriftsteller Florian L. Arnold gestaltet, der nicht nur für den Umschlag verantwortlich zeichnet, sondern diesen und jeden weiteren Band mit drei Grafiken illustrieren wird.

Neben der Normalausgabe erscheint auch eine Vorzugsausgabe von 99 Exemplaren. Jedem Exemplar  ist ein nummeriertes und signiertes Exemplar der Graphik #3 in Farbe als Siebdruck  beigefügt.

Hardcover, 300 Seiten | ISBN: 978-3-947724-46-8 | 22,-€
Erscheint am 12. Oktober 2023

Vorzugsausgabe mit eingelegter Originalgrafik  75,-€

zur Leseprobe

Vicente Blasco Ibáñez (1867 – 1828) zählt zu den herausragenden Vertretern des Naturalismus, ähnlich wie bei Zola steht auch für ihn die soziale Frage im Zentrum seiner frühen Werke. Reichtum, der verblendet und Menschen zu Handlungen bewegt, die letztendlich ihrer eigenen moralischen Bewertung nicht standhalten. Seine Figuren werden durch das Zusammenspiel von Herkunft, Umwelt und sozialen Bedingungen bestimmt. Ibanez arbeitet die Einflüsse heraus, die zu einem bestimmten Zeitpunkt auf sie einwirken.

Blasco Ibanez hatte ein bewegtes Leben. Politisch war er in seiner Jugend ein militanter Republikaner und gründete in seiner Heimatstadt Valencia die Zeitung „El Pueblo“, in der er eine republikanisch-populistische politische Bewegung, den „Blasquismo“, entwickelte. Seine politischen Aktionen brachten ihm Gefängnis und Exil ein, aus dem er 1896 zurückkehrte und mehrere Wahlperioden im Cortes, dem spanischen Parlament saß. 1909 zog es ihn nach Argentinien, nur um sich zu Beginn des ersten Weltkriegs in Paris niederzulassen. Bereits in Argentinien änderte sich sein Schreibstil deutlich. Seine Handlungen wurden reißerischer und melodramatischer. Einige dieser Werke fanden in Hollywood Anklang und wurden zur Grundlage vielgesehener Rudolfo-Valentino-Filme.

 

Neue Reihe: Vergessene Moderne

„Die Modernität ist das Vorübergehende, das Entschwindende, das Zufällige, ist die Hälfte der Kunst, deren andere Hälfte das Ewige und Unabänderliche ist“, schrieb Baudelaire im Jahr 1863. Die literarische Moderne ist das Kind der industriellen Revolution ebenso wie der Aufklärung und der Säkularisation. Literarisch folgt sie in vielen Sprachen dem Naturalismus und dem Realismus. Diese Kategorien helfen uns nur beschränkt weiter beim Versuch einer Definition, denn wie so oft sind die Übergänge in Literatur wie in Geschichte fließend. Die Verwendung neuer literarischer Techniken, wie des „stream of consciousness“, des Bewusstseinsstroms mit seinen konstanten Perspektivwechseln, wie sie sich bei Joyce, Schnitzler oder Virginia Woolf finden, wird auch oft als Unterscheidungsmerkmal herangezogen. Für uns war ein weiteres Merkmal bei unserer Suche nach geeigneten Werken für die Reihe entscheidend: die Subjektivität.

Bei unserer Suche konzentrieren wir uns darauf, Werke von Autorinnen und Autoren zu entdecken, die, wenn wir in Kategorien denken, oft noch dem Naturalismus oder Realismus zugerechnet werden, deren Werk jedoch über diese, wie bereits erwähnt, fließenden Perioden hinausreicht. Ein entscheidendes Merkmal für unsere Auswahl ist die Verarbeitung der industriellen Revolution und ihrer Konsequenzen für das Zusammenleben der Menschen in unterschiedlichen Kulturen.

Für die Jahre 2014/2025 nehmen wir die folgende Auswahl in den Blick. Alle Werke erfüllen unsere Kriterien, die Reihenfolge der Veröffentlichung hängt jedoch auch von den vorhandenen Mitteln für die Übersetzung ab. Die konkreten Pläne für 2024 werden wir auf der Frankfurter Buchmesse 2023 vorstellen.

Antonio Fogazzo
Piccolo Mondo Antico
(1895)
Neuübersetzung

Camilo Castelo Branco
Lieber zur Verdammnis (Arbeitstitel)
(Amor de Perdição)
(1862)
Erstübersetzung

Stefan Zeromski
Vorfrühling
(Przedwiośnie)
(1924)
Neuübersetzung

Frank Norris
McTeague
(1899)
Neuübersetzung

Shimazaki Tōson
Vor der Morgendämmerung (Arbeitstitel)
Yoake mae 夜明け前
(1935)
Erstübersetzung